3. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses am Donnerstag, 24. November 2011
Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
Frauenrechte sind Menschenrechte. Man kann dies nicht oft genug sagen! Der 25. November ist der „Internationale Gedenktag „NEIN“ zu Gewalt an Frauen!“ In diesem Jahr wird zum zweiten Mal die Fahne „Frei leben ohne Gewalt“ vor dem Abgeordnetenhaus gehisst. Dies geht auf eine Initiative der Fraktion DIE LINKE und der Überparteilichen Fraueninitiative zurück. Dieser internationale Gedenktag soll uns Anlass geben, der Opfer zu gedenken. Aber auch darüber nachzudenken, wie wir Frauen besser vor Gewalt schützen und ihnen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen können. Immer noch unterliegen viele Mädchen und Frauen patriarchalen Gesellschafts- und Familienverhältnissen und werden zu Opfern von häuslicher Gewalt und Zwangsehen. Gewalt gegen Frauen geht uns alle was an, es ist ein Problem was alle Schichten der Gesellschaft durchzieht.
Die aktuelle Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema Zwangsverheiratung in Deutschland zeigt, dass häusliche Gewalt gegen Mädchen und Frauen wieder zunimmt. Das bedeutet, wir müssen uns stärker für die Opfer von Gewalt einsetzen. Sie brauchen unsere Soforthilfe. Sie brauchen aber - und das ist genauso wichtig – eine sichere Perspektive in unserem Land. Alle Mädchen und Frauen, die von Gewalt betroffen sind, haben einen Anspruch auf Schutz und Hilfe.
Doch bei Frauen, die nur eingeschränkte Ansprüche auf Sozialleistungen und keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben, ist dies nur schwer möglich.
Denn: Was nützt es der arbeitslosen Ehefrau, wenn der gewalttätige Mann aus der Wohnung verwiesen wird und sie allein aber die Miete nicht bezahlen kann?
Was soll die Migrantin machen, die sich drei Jahre nach Eheschließung nicht scheiden lassen kann, ohne Gefahr zu laufen, ihren Aufenthaltsstatus zu verlieren?
Die heutigen Reden haben gezeigt, dass es eine gewisse Sensibilisierung für das Thema gibt. Jedoch werden die Wurzeln des Problem oft nicht angegangen.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass die Bundesregierung im März dieses Jahres eine willkürliche Erhöhung der Ehebestandszeit von zwei auf drei Jahre beschlossen hat. Damit wurde die Situation der von Zwangsheirat betroffenen Frauen erheblich verschlechtert. Das tat Bundesregierung ausgerechnet mit einem Gesetz, dass sie zur „Bekämpfung von Zwangsheirat“ verabschiedet haben. Statt den Opfern zu helfen, werden sie länger an ihre gewalttätigen Ehemänner gekettet. Das ist blanker Zynismus.
Dies ist von vielen NGOs und von uns der Linksfraktion immer wieder massiv kritisiert worden. Opfer von Zwangsheirat und Gewalt brauchen Schutz vor Diskriminierung und Gewalt. Deswegen muss ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für Frauen, die Opfer von Gewalt in der Ehe, Zwangsheirat und Menschenhandel sind, eingeführt werden.
Die rot-rote Koalition in Berlin hatte eine entsprechende Bundesratsinitiative im vergangenen Jahr gestartet, die jedoch keine Mehrheit fand. Ich sehe die jetzige Landesregierung auch in der Pflicht, sich hier weiter zu engagieren und eine erneute Bundesratsinitiative zu starten.
Seit Jahren existiert in Berlin ein funktionierendes System von Einrichtungen, das Opfern von Zwangsehen und häuslicher Gewalt betreut und Schutz bietet. Es konnte in den letzten Jahren zunächst stabilisiert werden. Durch Etaterhöhungen und zweijährige Verträge wurde Planungssicherheit geschaffen. Jedoch reicht dieses System so heute nicht mehr aus.
Gestern hatte ich ein Fachgespräch mit Vertreterinnen des Interkulturellen Frauenhauses, in dem ich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass viele Frauenhäuser in Berlin mittlerweile überfüllt sind. Es werden Frauen sogar in Obdachlosenheimen untergebracht. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Die SPD-CDU-Koalition ist nun in der Verantwortung, den bisherigen Kurs in Berlin fortzusetzen und das Netz zum Schutz der von Gewalt betroffenen Frauen nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern es dem aktuellen Bedarf entsprechend auszubauen.
Meine Damen und Herren, den Worten müssen Taten folgen. Der hier eingereichte Antrag der Fraktion Bündnis 90/die Grünen bzw. der Änderungsantrag der Piraten geht uns nicht weit genug. Deshalb werden wir einen eigenen Antrag einreichen.
Die Rede als Video auf RBB-onlin.de sehen.